Hier geht es nicht um Schiffs-Kreuzfahrten oder Gay-Cruising sondern um Cruisen auf vier bzw. zwei Rädern. Das klassische Kreuzen (daher Straßenkreuzer) bzw. Umherfahren ohne Ziel auf großen Straßen begann bereits in den 1950er Jahren in Kalifornien wohl hauptsächlich in L.A. auf den Boulevards. Ventura, Van Nuys, Whittier, Sunset Strip waren Treffpunkte, später im ganzen Süden Kaliforniens. Langsames Fahren mit auffälligen Autos und Motorrädern waren bei Teenagern ab 16 Jahren vor allem an Wochenenden der Hit. Dabei ging es auf den Blvd´s rauf und runter durch die Nacht. Vor allem die männliche Jugend zeigte was man hat und sich schon leisten konnte, was den Eltern allgemein nicht immer gefiel. Kein Alkohol trinken dürfen, aber PS-starke Achtzylinder öffentlich bewegen. Gebrauchte Hubraumriesen gab es billig zu kaufen, so daß viele junge Besitzer die Chance nutzten, sich auf die Tour den weiblichen Teenagern an den Straßenrändern zu empfehlen. Es genügten entsprechende Blickkontakte und man sah sich in angesagten Diner Restaurants mit seinem 55er Bel Air wieder.
Schnell drängten sich hier auch Jugendliche mexikanischer Herkunft (Chicanos) in die Szenerie. Daraus entwickelten sich die bekannten Low-Rider als Kontrast zu schnellen, lauten Hot Rods und Streetmachines der amerikanischen Jugend. Low-Rider, allen voran die 63/64er Chevy Impalas sind langsam, leise, bunt lackiert, plüschig ausgestattet, viele Teile sind verchromt oder vergoldet und natürlich tief gelegt mit Hilfe von hydraulischen Stoßdämpfern. Das alles kostet viel Geld mit hohem Verschulden der Chicanos.
Impala am Mel´s Diner in Modesto
In vielen Großstädten der USA entwickelten sich die Cruise Nights zu einer sozialen Jugendkultur. Das machte schließlich auch bei den Autobauern Eindruck, die Mitte der 60er Jahre die ersten preiswerten Muscle-Cars auf die Straßen brachten. Mustang, Camaro, GTO, Charger waren einfach ausgestattet, hatten aber starke Motoren für Ampelstarts, 1/4 Meile Rennen und fürs Cruisen in Modesto, Pasadena, Van Nuys… Wie das in Bildern aussah, kann man sich im Kultfilm “American Graffiti” ansehen, der Anfang der Siebziger Jahre von George Lucas gedreht wurde. Er war selbst Teil der Szene und kannte sich dementsprechend bestens damit aus. Als Drehbuchautor und Regisseur nahm er 800.000 Dollar in die Hand, verpflichtete unbekannte Studenten wie Richard Dreyfuss, Harrison Ford, Paul LeMat und ……. Die Handlung war simpel: Teenager Flirts, Rockabilly, Jugendgangs, geile Autos und Radio-Kommentare von Wolfman Jack. Der Film wurde ein weltweiter Erfolg und spielte unbestätigt 120.000 Millionen Dollar ein!
Lowrider auf Pomona Messegelände neben bekanntem Dragstrip
Lucas hat das Thema gerade noch aufgegriffen bevor es 1973 zur Ölkrise kam. Jetzt wurde es teuer Benzin zu verschwenden. Darüberhinaus gab es Beschwerden von Anwohnern, was Polizeikontrollen auf den Plan rief mit den auch uns bekannten Schikanen. Tatsächlich hat das bis auf weiteres zum Einbruch der Night-Cruising Kultur geführt. Verschwunden ist sie allerdings nicht, wenn auch in anderer Form. Heute lassen Erwachsene die alten Zeiten wieder aufleben, man trifft sich weniger auf den Boulevards, dafür auf großen Parkplätzen, die es in USA, seit Jahren auch in Europa auf den grünen Wiesen, gibt. In den 80er Jahren lebte die US-Car Szene in D richtig auf, fast egal was der Sprit kostet, es ist halt Hobby. Gebrauchte Luxus-Liner und Muscle-Cars gab es schon für 10.000 bis 25.000 DM.
Cruise Hot Spot Angelo´s in Anaheim – Nachdenklich was die Kalifornier so machen und wie es sich bei uns umsetzen läßt – Werner 1985
Das “nutzlose Umherfahren” war in USA eigendlich verboten, wurde aber toleriert – mit der Begründung der Zugehörigkeit amerikanischer Kultur im Jahr 2024 wurde das Verbot jetzt aufgehoben. Tatsächlich gibt es auch bei uns eine gesetzliche Vorschrift die das Cruisen verbietet, ist aber schwer nachzuweisen und widerspricht einer anderen Vorschrift.
Nicht verstanden haben das bis heute die jungen Männer der Tuner und Poser Szene, die mit privaten Stadt-Straßen Rennen aus dem Verkehr gezogen werden – und nicht zu verstehen, weil es harte Strafen im Falle eines Unfalls mit Personenschaden gibt. Aber das ist ein anderes Thema.
Alle Farbfotos sind aus den Jahren 1985 u. 1987, alte Dokumente von kalifornischen Parkplatztreffen. Das untere Foto stammt vom Köln-Bonner Verteilerkreis an der A555 – (das Gebäude wurde inzwischen abgerissen) – zur gemeinsamen Abfahrt im Convoi zu einer Veranstaltung auf dem ehem. Frankfurter US -PX Army-Gelände.